Anfang der Woche hatte ich das Vergnügen, an einer Informationsveranstaltung der #HASPA zum Thema „Energetische Sanierung im Bestand“ teilnehmen zu dürfen, auf der ein Vertreter eines bundesweit tätigen Solarunternehmens die Wirtschaftlichkeit eine PV-Anlage mit Pufferspeicher vorrechnete.
Die Eckpunkte: ein Einfamilienhaus mit 4 Personen und 5000 KWh Jahresverbrauch, Dach-PV mit Batteriespeicher für 31.500,- € Investitionskosten, vollständige Amortisierung und 20.000,-€ zusätzliche Ersparnis innerhalb von 20 Jahren.
Der Schwerpunkt des Vortrags waren die kommerziellen Aspekte einer als repräsentativ beschriebenen PV-Installation, wie sie „jedes Jahr tausendfach in Deutschland verbaut wird“.
Obwohl keine technischen Details genannt wurden, sind mir mehrere Punkte aufgefallen, die bei mir erhebliche Zweifel an der Seriosität des Anbieters aufkommen ließen:
Strompreisentwicklung
Die Berechnung ging von einem Anfangsstrompreis von 45ct/KWh und einer jährlichen Preiserhöhung von 2% aus, so dass für 2043 mit einem Strompreis von ~65ct/KWh gerechnet wurde. Dies ist interessant, weil der Strompreisdeckel bekanntermaßen bei 40ct/KWh liegt und der Strompreis in Deutschland faktisch in den letzten 10 Jahren vor der Ukrainekrise nahezu konstant bei 28 ct/KWh lag. Eine regelmäßige Preiserhöhung wie im Rechenmodell angenommen hat es also zumindest in der Vergangenheit nicht gegeben, und ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass die Preise vom aktuell extrem hohen Niveau ausgehend weiter kontinuierlich steigen werden.
Finanzierungskosten
Der Anschaffungspreis der PV-Anlage inklusive Batteriespeicher (immerhin 31.500,-€) wurde vom fiktiven Kunden aus „vorhandenen Eigenmitteln“ gezahlt, also mit Geld, das ansonsten unter der Matratze gelegen hätte. Dieser kalkulatorische Kniff (auf den eine Fußnote hinwies) ist elementar wichtig, weil eine Kreditfinanzierung über 20 Jahre – die der Anbieter selbst auch vermittelt – die rechnerischen Einsparungen durch die PV-Anlage massiv reduziert hätte.
Nun mag es durchaus Kunden geben, die auch ohne eine externe Finanzierung in der Lage sind, eine solche Anlage zu bezahlen. Richtig – und anständig – wäre es dann allerdings gewesen, zumindest die entgangenen Zinserträge auf das eingesetzte Kapital zu berücksichtigen. Selbst wenn der Kunde sein Geld in totsichere 20-jährige Bundesschatzbriefe angelegt hätte, wären am Ende der 20-jährigen Betrachtungsperiode über 10.000,-€ risikofreie Zinserträge angefallen.
Batteriespeicher
Ein Batteriespeicher ist heute meist fester Bestandteil eines PV-Angebotes, weil das vordergründige Argument, den günstig selbst erzeugten Solarstrom so auch nachts nutzbar zu machen, inhaltlich natürlich völlig richtig ist. Weniger klar ist, ob es auch finanziell sinnvoll ist, in einen Batteriespeicher zu investieren. Die wichtigste Rechengröße dazu ist der LCOS – die Levelized Cost Of Storage. Der LCOS beziffert die Kosten, die für die Speicherung einer KWh Strom in einem Speichermedium anfallen und berechnen sich relativ einfach:
Die Speicherkapazität in KWh multipliziert mit der vom Hersteller angegebenen Zyklenfestigkeit ergibt die Menge an Energie, die ein Speichersystem während seiner technischen Lebensdauer speichern kann. Wenn man die Gesamtkosten (Anschaffungspreis und Installationskosten) durch diese Gesamtspeichermenge teilt, ergeben sich die Kosten pro gespeicherter KWh.
Dankenswerterweise wurden die entsprechenden Details auf Nachfrage genannt:
- 4.500,-€ Kaufpreis + 1.000,- Installationskosten ergeben einen Gesamtpreis des Speichersystems von 5.500,- €
- 3,5 KWh Kapazität und 3.000 Ladezyklen (was 10 Jahren Nutzungsdauer entspricht) ergeben eine Gesamtspeicherkapazität von 10.500 KWh
Teilt man nun die Kosten (5.500,-€) durch die Speicherkapazität (10.500 KWh), ergibt sich ein LCOS von 52ct/KWh.
Bei angenommen Stromgestehungskosten über die eigene PV-Anlage (LCOE – dazu wurden leider keinerlei Angaben gemacht) von 8 ct/KWh, ergibt sich ein Gesamtpreis von 60ct/KWh für Strom aus dem eigenen Batteriespeicher. Das ist 50% teurer als der aktuelle Strompreis, 100% teurer als der durchschnittliche Strompreis der letzten 10 Jahre und ganz sicher auch auf lange Sicht nicht wirtschaftlich sinnvoll.
Ersatzbeschaffung
Der im Beispiel genannte Batteriespeicher hat bei 3.000 Zyklen eine erwartete Lebensdauer von 10 Jahren. Da der Betrachtungszeitraum für die Wirtschaftlichkeitsrechnung 20 Jahre betrug, wäre also mindestens eine Ersatzbeschaffung bei der Kalkulation zu berücksichtigen gewesen. Nachvollziehbarerweise kann heute niemand vorhersagen, wie teuer (oder) billig ein Speicher in 10 Jahren sein wird. Die Kosten allerdings pauschal mit 0,-€ anzusetzen, hat aus meiner Sicht doch zumindest ein Geschmäckle…
Ersparnis vs. Netto-Barwert
Unter Berücksichtigung aller genannter Annahmen – an deren Richtigkeit ich wie gesagt zweifele – ergab sich bei einem Kapitaleinsatz von 31.500,-€ eine rechnerische Gesamtersparnis nach 20 Jahren von etwa 20.000,-€ .
Das ist natürlich ein hübsches Sümmchen. Weil dieser Gewinn aber erst in der Zukunft anfällt, und weil wir wissen, dass die Inflation bis dahin eine spürbare Geldentwertung bedeutet, sind 20.000,-€ in 20 Jahren leider nicht dasselbe wie 20.000,- € heute.
Wenn wir also eine Vorstellung davon bekommen wollen, welcher Wert heute derselben Kaufkraft entspräche wie die herbeifabulierten errechneten 20k€ in ferner Zukunft, dann könnte man den netto-Barwert (net present value oder NPV) heranziehen. Ergebnis: wenn alles gut läuft und die Eurozone ihr Inflationsziel von 2% pro Jahr ab 2023 wieder einhält, dann reduziert sich die Ersparnis kaufkraftbereinigt auf die Hälfte.
Resumee
Es gibt ohne Zweifel gute Gründe für eine PV Anlage. Solarstrom ist absolut emissionsfrei und nachhaltig und reduziert die Abhängigkeit von potentiell steigenden Strompreisen. Im Falle eines black-outs sind manche Anlagen in der Lage, eine Ersatzstromversorgung zu sichern und beispielsweise die Heizung einige Zeit lang weiter in Betrieb zu halten.
Wenn ein Angebot dann allerdings so teuer ist, dass es sich selbst auf dem Papier nur rechnet, wenn
- massiv unrealistische Preissteigerungen in der Zukunft voll eingepreist werden
- Finanzierungs- und Opportunitätskosten (entgangene Zinsgewinne) hingegen ausgeblendet und
- unvermeidliche Ersatzbeschaffungen mit 0,-€ angesetzt werden
dann stelle ich mir die Frage, ob der Anbieter die Interessen des Kunden ausreichend berücksichtigt hat.
Noch deutlich schlechter sahen übrigens die mir bekannten und heute sehr populären Miet-Modelle aus („PV-Anlage für 0,-€“), aber das ist ein anderes Thema…
One Reply to “Eine Branche in Goldgräberstimmung”
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